Februar 2008


Alle Jahre wieder ist das abends ohnehin tote Stuttgart noch toter.
Das sind die Feiertage, an denen nicht einmal musikalisch umrahmte
Veranstaltungen zulässig sind. Musikverbot!
Fronleichnam zum Beispiel. (verballhornt als Happy Kadaver)

§ 8 des Gesetzes über Sonn-und Feiertage (FTG) verbietet
… sonstige öffentliche Veranstaltungen, soweit sie nicht der Würdigung
des Feiertages… dienen.

Die Betreiber einiger Bars und Discotheken hatten sich über die 110 beschwert,
daß im Jazzkeller Marienstraße bei prazzelvollem Lokal musiziert würde.
“Und wir halten uns ans Verbot”, teilten die “Herren ohne Namen” mit.

“Jo, da muasch selber na, des gibt en Uffstand wenn mir die Musik einstellet”!

Also schulterte oldman seine durch Wolfgang Dauner und Eberhard Glauner geschulten Gehörgänge und begab sich an den Ort des Verbrechens.

Unten an der Treppe standen die mir bekannten namenlosen Gesichter mit erwartungsfrohem Grinsen. Harrend, was der Bulle nun wohl machen würde.
Von der Bühne klang durch den wabernden Zigarettenrauch mir vertrauter Blues.
Ich hätte mich am liebsten vor eines der unzähligen Biergläser gesetzt.

Um die Heinis von der “Würgeschlange” nicht zu enttäuschen ging ich zielstrebig
auf die Bühne und hob den rechten Arm als wolle ich den Verkehr auf der Kreuzung
vor dem Hauptbahnhof regeln, hob allerdings nur ganz leicht meine Stimme,
ich hatte ja ein Microfon für mich allein.

“Der Bedeutung des Tages entsprechend”, teilte ich den Gästen mit, “dürfen
nur noch sakrale Musikstücke gespielt werden”, und so weiter blablabla .

Noch ein kurzes Gespräch mit dem Wirt und ich grinste mich an den
Beschwerdeführern vorbei die Treppe wieder hoch.
Begleitet von den Klängen, die so abrupt unterbrochen worden waren.

Die Beschwerden am nächsten Tag schmetterte Kerhard Koller,
Leiter der zuständigen städtischen Behörde, auch ein Jazzfan, ab.

Die Erinnerung kam wieder durch Schildkrööde!

Nichts wie hin und unten rechts den Sound voll aufdrehen.

Ein Besuch auf der Rückseite der Reeperbahn bringt
hin und wieder ganz neue Erkenntnisse.

“Halt die Klappe, ich hab’ Feierabend”

Der Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte.
Eduard Mörike

Und Oldman hat es zeitlich genau abgepasst. Seit Wochen mit Aufräum-
und Reparaturarbeiten rund um Haus und Garten beschäftigt, war gestern
das erste Gläschen Trollinger in Freiheit fällig.

Einmal abwarten ob Lukas es nachher wagt, gegen Eisberge an zu schwimmen.
Notfalls wärmen wir uns in der Sauna vor.

Riesige Eisberge, die er gestern erst klein gehackt hat.

Tztztz, gib dem Enkel einen Hammer und er verzichtet auf die Glotze.
Naja Opa ich helfe Dir gern, das weisst Du doch“!
Toller Trick, immer wieder gern eingesetzt.

Fürwahr, keine schlechte Idee, die der Herr Pferdeäffle mir da an die Backe
klebte. Anekdötchen nannte er es. Anekdötchen!

Anekdoten aus meinem Lääben werden also dieses Blog noch mehr zu einem Tagebuch machen.
Zwandsläufig liegen die kleinen Begebenheiten in der fernen Vergangenheit und kommen mir nur dann wieder in den Sinn, wenn ein Irgendwer einen kleinen Fingerzeig gibt.
Mal sehen, worauf ich mit der Nase gestubst werde.
Selbstverständlich sind die kleinen Geschichten wahr!
Nichts daran ist erfunden, allenfalls leicht angepasst um nicht die
handelnden Personen bloß zu stellen.

Dieses Anekdötchen habe ich irgendwo als Kommentar hinterlassen, als ein anderer Leser meinte, ich ritte mit Knitz, meinem Blogbruder im Geiste, dem Sonnenuntergang entgegen:

1965 Stuttgart - Premiere eines Karl May Filmes im Kino
Universum Königstrasse.
Götz George und Uschi Glas waren schon sicher im Hotel
am Schloßgarten eingetroffen. Eine nach hunderten zählende
Jungmenschentraube vor dem Hoteleingang.
Für ein ganz bestimmtes Taxi gab es kein Durchkommen.
Abgerissene Scheibenwischer und Beulen im Dach ließen den
Fahrer den Rückwärtsgang einlegen und in der Schmale
Strasse 11 Zuflucht suchen.

So kam es, daß Pierre Brice meine Uniform anzog, ich in seinen Popelinemantel schlüpfte, seinen kleinen Rauhaardackel Qunits auf den Schoß nahm und wir auf der Rückbank eines polizeigrünen VW-Käfers ganz langsam durch die tobende Menge in die Tiefgarage des Hotels fuhren. Lieferanteneingang in der Schlossgarten-Tiefgarage.

Winnetou die Hand geschüttelt haben schon viele.
Von ihm in den Arm genommen und ganz herzhaft gedrückt, wurden wohl nur wenige.

Ja, das hat etwas Vergleichbares.
Am Heslacher Wasserfall die Füße in den Nesenbach hängen,
ein Gläschen Trollinger genießen und den Joint der Erkenntnis
zu Kringeln paffen, die sich langsam über unsere Häupter legen.

Howgh.

Wenn sich in anderen deutschen Citys und Centern in den späten
68ern und frühen 70er der psedostudentische Mob mit der Polizei
wahre Strassenschlachten lieferte, verlief in Stuttgart immer alles
eine Spur friedlicher.
Es mag nicht nur an der weisen Führung der Polizei gelegen haben,
sondern auch an der Mentalität der Schwaben, die ihre Rei’gschmeckten
an ihrer Besonnenheit teilhaben ließen.

Daß die Stuttgarter nicht einmal zu richtig brutalen Streikfolgen in der
Lage sind, beweist der öffentliche Dienst in diesen Stunden.

Kein Stau, kein Bruddeln, kein Protestgeschrei. Stattdessen munter lächelnde
Menschentrauben in bunten Automobilen, den erhobenen Mittelfinger nur
sinnbildlich aus den Fenstern gelächelt.

Der Streik wird von weiten Teilen der Bevölkerung als berechtigt angesehen.

Jawoll !

Krankenhäuser verfahren nach einem Notfallplan. Nur Notfälle werden behandelt.
Einen Notfall hatte auch der humpelnd schlurfende ältere Herr, der im
Stuttgarter Umland an der Rezeption eines KKH vorsprach.
Er habe tierische Schmerzen beim Gehen.

Nach kurzer mitfühlender Unterhaltung mit der diensthabenden Schwester
stellte sich heraus, daß er seit geraumer Zeit unter einem eingewachsenen
Zehennagel litt.
Von einem Streik wußte er nichts.

Die Schwester hob die linke Augenbraue und verschwand.
Mit heruntergelassener Hose Braue kam sie zurück und reichte
dem Herrn eine Fußnagelschere.
Noch auf der Wartebank begann der Oldie seine Autooperation.

Ein paar Mal: “Fsssshhh” als Zeichen höllischer Schmerzen uuuund
ein Lächeln, gefolgt von stolzem in die Runde Grinsen beendete die Prozedur.
Schwesterchen reichte ein Erfrischungstüchlein, das aussah wie
die Dinger aus dem Wienerwald, und Oldie aseptisierte seine
offen Wunde
seinen verbliebenen Nagel..

Nachzutragen bleibt, daß solch ein Streik durchaus kostendämpfend wirken kann.
Die Krankenkassen wird’s freuen.

Auch oldman kauft ein. Er hat schon oft mit innerem Schmunzeln
einen Laden betreten und in die Runde gesagt:
” Mein Name ist Walther, ich kaufe hier ein”!

Nur wenige Miteinkäufer quittierten das mit lachenden Gesichtern.
Sie kannten wenigstens Loriot und seinen Film.
Nun kaufe ich keine 2 Zentner Senf wie Herr Lohse und ich sammle
auch keine Tageszeitungen
. Der Filmfreund sieht ja wohin das führen
würde. Ins Chaos.
Ich sollte es vielleicht doch einmal ausprobieren.

Heute suchte ich einen Artikel aus der letzten Woche.
Ein örtlicher Verein hat allerdings die letzten 50 Ausgaben der
Stuttgarter Nachrichten schon der Wiederverwertung zugeführt.
Oldman ist ja ein perfekter Mülltrenner.

Also schnell mal rüber ins Archiv bei meinem Leib- und Magenblatt.
Gesucht und gefunden! Wunderbar solch ein Archiv.
Und dann:

Jaaaaa, das nenne ich mal Kundenfreundlichkeit.
Sagen Sie mal, liebe Verlagsobere, wie wäre es, wenn ich für die Entsorgung der gefühlten 30 Kilo Werbebeilagen pro Jahr eine Entsorgungsbebühr in Rechnung stellte?

Folgen Sie doch einfach den Archiven großer Magazine von der New York Times bis SPIEGEL.
Ihr Einstieg ins Internet war schon gut. Der Start eines Blog war sehr gut.
Jetzt werden Sie einfach mal auch Web 2.nullig und verzichten auf die paar Kröten.
Für Liechtenstein reichts eh’ nicht.

PS.:
Gestern suchte ich über http://www.wissen.spiegel.de
nach einem Interview aus irgendwann im letzten Jahrtausend.
Ich fand es.
Kostenlos!
Das ist ein Archiv, sage ich Ihnen.

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